Das Hochwasser, die Fische und die Flüsse: Interview mit Dr. Christoph Hauer

Dr. Christoph Hauer (BOKU Wien)  ist der wissenschaftliche Leiter unseres Projektes an der Großen Mühl. Am Höhepunkt der ZIB Berichterstattung über das Hochwasser in großen Teilen Österreichs erklärte er an Hand des enorm Wasser führenden Kamp, warum eine Katastrophe für die Menschen einer Region keine für die Flussökologie sein muss.

„Bleiben wir gleich beim Kamp: Warum war das Hochwasser 2002 ein positiver Umstand für die Situation 2024?“

Christoph Hauer, Foto Andreas Röbl

“Nach dem Hochwasser 2002 am Kamp wurden 265 ha an Flächen angekauft und in öffentliches Wassergut überführt, die der Fluss während des Ereignisses morphologisch überprägt hat. Dies waren Flächen in denen der Fluss bei den Katastrophen-Abflüssen erosiv wirksam war. Es kam zu natürlichen Aufweitungen, Schaffung von Nebenarmen die den Abflussquerschnitt eigendynamisch an 17 Stellen entlang des Flusses ertüchtigten. 22 Jahre später, beim Ereignis der letzten Tage, waren noch viele dieser Flächen hydraulisch wirksam, manche durch eine naturnahe Vegetationsentwicklung etwas eingeschränkter, andere wie das Beispiel Stallegg (Siedlung flussab von Rosenburg) zu 100 %. Somit hat der Fluss 2002 selbst naturnahe Hochwasserschutzmaßnahmen geschaffen, die immer noch wirken und auch in Zukunft wirksam sein werden. 

„Aus diesem Schluss heraus und gleich auch im Blick auf das Renaturierungsgesetz: Welche Maßnahmen kann man aus den Learnings auch an anderen Flüssen für die Zukunft umsetzen?“

“Es wird in jedem Fall wichtig sein, dieses und zukünftige Ereignisse genau zu evaluieren, in wie weit der Fluss nicht selbst eine Renaturierung geschaffen hat, die unter den gegebenen Randbedingungen bereits eine deutliche Lebensraumverbesserung zeigt und im Idealfall den Hochwasserschutz auch verbessert. Dies gilt aber nur für Flächen außerhalb des Siedlungsraums. Der Schutz von Mensch und Infrastruktur ist in der integrativen Wasserwirtschaft nach wie vor prioritär und muss mit passiven und aktiven Hochwasserschutzmaßnahmen weiterhin gewährleistet werden bzw. verbessert werden. Die Angst das hier das Renaturierungsgesetz den Hochwasserschutz einschränken wird bzw. vielleicht Maßnahmen zurückgenommen werden ist absolut unbegründet. Es geht hier um Synergien vor allem in frei fließenden Strecken außerhalb des Siedlungsraums und da zeigt eben der Kamp und seine morphologische Entwicklung 2002 das  “win-win” Lösungen möglich sind. Das sollte in jedem Fall ein Ziel für die Zukunft sein.”

„Zu den Fischen: Wie spielt sich so eine Flut für die Lebewesen ab, was hat ihnen die Evolution mit auf dem Weg gegeben?“

“Das Makrozoobenthos wird zuerst mal so gut wie vollkommen reduziert. Auf Grund des Sedimenttransports und den hohen Fließgeschwindigkeiten können sie sich nicht an der Gewässersohle halten und gehen bereits mitunter vorab in die sogenannte “Katastrophendrift”. Sie können auch nicht aktiv Rückzugsbereiche aufsuchen, wie es bei den Fischen vorkommt. Es kommt aber wieder innerhalb weniger Wochen 3 – 6 zu einer Besiedelung des Makrozoobenthos durch Einwanderung (Drift). Fische gehen in die Randbereiche, wo im Idealfall durch Vegetation noch verstärkt reduzierte Fließgeschwindigkeiten auftreten. Sie überdauern das HW in diesen Bereichen oder auch überfluteten Vorlandbereichen. Es sind dann mitunter “Freund” und “Feind” auf sehr engem Raum. Es gibt hier sehr schöne Videos aus Bayern wo Huchen und Nasen in einem Ausstand im Uferbereich ein Hochwassereignis gemeinsam überdauern. Generell sind auch 0+ Fische  wie die Bachforelle in der Lage solche Ereignisse in dieser Jahreszeit sehr gut zu überstehen. Probleme für einen Jahrgang gibt es dann, wenn Hochwässer in der Eientwicklungsphase die Laichgruben erodieren. Dann kann ein Jahrgang sehr stark beeinträchtigt werden oder sogar ausfallen. In den nächsten Wochen wird man aber auch verstärkt beobachten können, dass Forellen und Äschen in den Uferzonen aktiv sind, da hier terrestrische Nahrung das großteils fehlende Benthos ersetzen muss.”

„Gibt es Fische, die mit dieser Situation besser umgehen als andere?“

“Hochwässer kommen in allen Fischregionen vor. Die Evolution hat in Prinzip vorgesehen dass Fischpopulationen der unterschiedlichsten Arten diese auch überstehen. Durch Verbauungen werden aber mitunter die Randbedingungen ungünstiger, fehlende Rückzugbereiche oder generell das Fehlen bestimmter Habitattypen. Dadurch werden schwimm-stärkere Arten sicherlich begünstigter als im Vergleich zu schwimm-schwachen.”

„Wird der Fischbestand und der Bestand anderer Flusstiere durch diese Tage vom 13. Bis zum 15. September schwer leiden und wenn ja, wie lange?

“Wie bereits oben ausgeführt trifft es unterschiedliche trophische Ebenen. Die unteren Ebenen “leiden” stärker, Primärproduktion und Makrozoobenthos durch den Sedimentransport und generell die erosiven Eigenschaften solcher Katastrophen-Ereignisse. Es kommt aber zu einer Erholung innerhalb einiger Wochen. Fischpopulationen sollten diese Hochwässer durchaus gut überstehen.”

In unseren Podcasts finden Sie auch einen mit Dr. Christoph Hauer

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